Trennungsangst beim Kleinkind: Ursachen und hilfreiche Tipps für Eltern
Trennungsangst ist eine häufige Entwicklungsphase, die viele Kleinkinder durchlaufen. Diese Phase, die typischerweise zwischen dem 8. und 24. Monat beginnt, kann Eltern wie Kinder herausfordern. Trennungsangst ist aber auch ein Zeichen für die gesunde Entwicklung der emotionalen Bindung eines Kindes an seine Bezugspersonen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen der Trennungsangst, bietet wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bindungstheorie und gibt Eltern hilfreiche Strategien, um mit dieser Phase umzugehen.
1. Warum erleben Kleinkinder Trennungsangst?
Trennungsangst ist ein natürlicher Teil der kindlichen Entwicklung. Laut der Bindungstheorie des Entwicklungspsychologen John Bowlby ist die Bindung eines Kindes an seine Eltern oder Hauptbezugspersonen eine entscheidende Grundlage für das spätere soziale und emotionale Wohlbefinden. Trennungsangst tritt auf, weil das Kind seine Bezugsperson als sichere Basis ansieht. Die Angst entsteht, da das Kind die Abwesenheit der Bezugsperson nicht als vorübergehend verstehen kann.
Bowlbys Arbeiten zeigen, dass eine enge Bindung an eine Hauptbezugsperson – meist die Mutter oder der Vater – das Kind vor psychischen Problemen schützen kann. Diese enge Bindung erklärt, warum Kinder beim ersten Auftreten der Trennungsangst stark an ihren Eltern hängen und das Alleinsein fürchten. Das Verständnis, dass die Bezugsperson nach einer Trennung zurückkommt, entwickelt sich erst allmählich und ist Teil der geistigen Reifung eines Kindes.
2. Wann tritt Trennungsangst typischerweise auf?
Trennungsangst kann in verschiedenen Entwicklungsstadien verstärkt auftreten:
- Ab dem 8. Monat: Kinder beginnen, ein stärkeres Bewusstsein für ihre Umgebung und die Nähe der Bezugspersonen zu entwickeln. Sie reagieren oft ängstlich, wenn sie die vertrauten Personen nicht mehr sehen.
- Mit etwa 1,5 bis 2 Jahren: Kinder entwickeln ein zunehmendes Verständnis für Unabhängigkeit, erleben jedoch weiterhin die Herausforderung, von ihren Eltern getrennt zu sein.
- Beim Eintritt in den Kindergarten: Der Wechsel in eine neue Umgebung und die Trennung von den Eltern kann die Trennungsangst wieder aufflammen lassen.
Laut einer Studie, die in der Zeitschrift Developmental Psychology veröffentlicht wurde, zeigen etwa 40-60 % der Kleinkinder in diesem Alter moderate bis starke Anzeichen von Trennungsangst. Diese Häufigkeit unterstreicht, dass Trennungsangst eine normale, sogar erwartete Phase der Entwicklung ist.
3. Anzeichen für Trennungsangst bei Kleinkindern
Eltern können Trennungsangst bei ihrem Kind an typischen Anzeichen erkennen:
- Weinen und Klammern: Das Kind klammert sich bei Verabschiedungen an die Eltern und weint intensiv.
- Schlafprobleme: Viele Kinder mit Trennungsangst haben Schwierigkeiten einzuschlafen oder wachen nachts häufig auf, weil sie sich nach der Nähe ihrer Eltern sehnen.
- Ablehnung von Fremden oder neuen Bezugspersonen: Kinder mit Trennungsangst reagieren häufig zurückhaltend oder ängstlich auf unbekannte Personen und möchten in der Nähe ihrer Eltern bleiben.
4. Strategien zur Unterstützung bei Trennungsangst
Trennungsangst kann durch verschiedene Strategien und unterstützende Maßnahmen abgemildert werden. Eltern spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie ihrem Kind Sicherheit und Vertrauen vermitteln.
4.1. Verabschiedungen kurz und liebevoll gestalten
Ein langer und emotionaler Abschied kann die Trennungsangst verstärken. Kurze und positive Verabschiedungen signalisieren dem Kind, dass die Trennung normal und vorübergehend ist. Ein ruhiger Ton und eine klare Aussage wie „Ich komme nach dem Spiel wieder“ helfen dem Kind, die Trennung besser zu akzeptieren.
4.2. Kleine Trennungen üben
Kurze, regelmäßige Trennungen helfen dem Kind, sich an das Konzept der Rückkehr zu gewöhnen. Eltern können das Kind bei einer vertrauten Person lassen und die Trennungszeiten allmählich verlängern. Diese Übung hat laut Forschungen in der American Journal of Family Therapy eine positive Auswirkung auf das Vertrauen und die Bindungsfähigkeit des Kindes.
4.3. Ein Übergangsobjekt anbieten
Ein Übergangsobjekt, wie ein Kuscheltier oder eine Lieblingsdecke, gibt dem Kind das Gefühl von Sicherheit und Nähe zur Bezugsperson. Ein solcher „Trostgegenstand“ kann das Kind beruhigen und hilft, die Trennungsangst zu mildern.
4.4. Routinen schaffen
Ein fester Tagesablauf und feste Rituale, wie das Einschlafritual, können die Trennungsangst mindern, da das Kind so die Abläufe besser vorhersieht und sich sicherer fühlt. Routinen bieten Struktur und geben dem Kind das Gefühl, dass bestimmte Dinge konstant und verlässlich sind.
4.5. Rückkehr signalisieren
Kindern hilft es, wenn sie wissen, wann ihre Eltern zurückkommen. Anstatt „Ich komme bald wieder“ zu sagen, können Eltern konkrete Zeitangaben verwenden, die das Kind versteht, wie z.B. „Ich bin wieder da, wenn du mit dem Malen fertig bist.“
5. Auf die eigenen Emotionen achten
Eltern sollten darauf achten, selbst ruhig zu bleiben und ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Kinder nehmen die Emotionen ihrer Eltern oft wahr. Wenn Eltern ruhig und gelassen bleiben, überträgt sich diese Haltung oft auch auf das Kind.
6. Geduld und Verständnis zeigen
Trennungsangst ist eine normale Phase und signalisiert eine gesunde Bindung. Eltern sollten Geduld und Verständnis zeigen und das Kind ermutigen, seine Gefühle auszudrücken. Übermäßige Besorgnis oder Zwang können die Trennungsangst verstärken. Die Psychologin Mary Ainsworth, bekannt für ihre Forschung zur Bindungstheorie, betont die Bedeutung der einfühlsamen Reaktion auf kindliche Signale, um eine sichere Bindung zu fördern.
7. Wann professionelle Unterstützung sinnvoll ist
In einigen Fällen kann Trennungsangst länger anhalten und den Alltag des Kindes erheblich beeinträchtigen. Wenn das Kind selbst bei kurzen Trennungen extrem ängstlich ist oder wenn die Angst bis weit in das Vorschulalter hineinreicht, könnte es hilfreich sein, professionelle Unterstützung in Betracht zu ziehen. Eine frühe Beratung durch eine Kinderpsychologin oder -psychologe kann helfen, geeignete Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Fazit
Trennungsangst ist ein wichtiger, wenn auch herausfordernder, Teil der kindlichen Entwicklung. Sie zeigt die starke Bindung des Kindes zu seinen Eltern und ist ein Zeichen dafür, dass das Kind sich in seiner Nähe sicher fühlt. Mit Geduld, Routinen und einem liebevollen Umgang können Eltern ihr Kind unterstützen und ihm helfen, Vertrauen zu entwickeln. Die Bindungstheorie von Bowlby und Ainsworth zeigt, dass eine sichere Bindung langfristig das emotionale Wohlbefinden stärkt. Es ist entscheidend, das Kind in dieser Phase nicht zu überfordern, sondern ihm mit Verständnis und Gelassenheit zur Seite zu stehen.